Philosophische
Blumen : Guten
Tag Helga Bayertz. Hatten Sie Ihren Beruf bewusst gewählt oder
sind Sie damals per Zufall Rundfunk-und Fernsehansagerin geworden?
Helga Bayertz
: Eigentlich hatte ich schon immer Freude an der Kommunikation
und suchte bereits in der Schulzeit den Kontakt zum Publikum. Oft wurde
ich damit beauftragt, Ansagen zu machen oder Gedichte vorzutragen, was
mir viel Spass machte. Nach einer seriösen, klassischen Fremdsprachenausbildung
im Lette-Verein arbeitete ich kurzfristig als Sekretärin für
einen Professor. Auf Anraten einer ehemaligen Schulfreundin bewarb ich
mich seinerzeit beim Sender Freies Berlin zunächst in der gleichen
Branche, hatte aber plötzlich die Idee, den Personalchef zu fragen,
wie man eigentlich Fernsehansagerin wird. Nach einem Casting von 100
Kandidatinnen hatte ich die einmalige Chance, zu den ersten drei Kandidatinnen
zu gehören. Daraufhin suchte ich mir sofort die beste Lehrerin,
um ein intensives Sprechstudium zu machen.
P.
B. : Im Laufe Ihrer Karriere sind Sie
zahlreichen Künstlern begegnet. Welcher Künstler hat Sie
besonders beeindruckt?
Helga Bayertz
: Im Laufe meiner Karriere habe ich viele bekannte Persönlichkeiten
kennengelernt, aber vielleicht war es der französische Chansonnier
Gilbert Bécaud. Er verstand es nämlich hervorragend, das
Publikum zu begeistern. Der Konzertsaal war jedesmal wie elektrisiert.
Man nannte ihn ja auch nicht umsonst Monsieur 100 000 Volt. Er war unglaublich
kommunikativ.
P. B. : Immer
mehr Sänger im Showbusiness behandeln
seit einiger Zeit religiöse Themen. Finden Sie diesen neuen Trend
gut?
Helga Bayertz
: Ehrlich gesagt, ich habe diesen Trend nicht so genau
verfolgt, aber wenn dem so ist, finde ich es gut, denn Leute, die keinen
Glauben haben sind wirklich arm dran. Hoffnung ist für mich sehr
wichtig im Leben.
P. B. : Was
halten Sie von der Volksmusiksendung des jüngsten Showmasters in Deutschland, Florian Silbereisen, der mehrere
Male mit einer Gruppe katholischer Ordensschwestern auf der Bühne
auftrat und mit ihnen zusammen musikalisch ein Glaubensbekenntnis ablegte?
Helga Bayertz
: Ich habe seine Sendungen nicht gesehen, weil ich kein
Fan der Volksmusik bin. Wenn diese Art von Show jedoch dem Publikum gut
gefällt,
entspricht es sicher den inneren Bedürfnissen der Menschen.
P. B. : Ist
es nicht erstaunlich, dass religiöse
Lieder in einer Musikshow, vor allem in der ehemaligen DDR, einen Riesenbeifall
vom Publikum ernten, während die meisten eingetragenen Kirchenmitglieder
sich nicht mehr für die traditionellen Kirchen interessieren?
Helga Bayertz
: Das stimmt. Die meisten Leute wollen nicht mehr regelmässig
in die Kirche gehen. Ich persönlich gehe auch nur selten dorthin,
glaube aber fest an Gott und bete regelmässig, auch um für
alles Gute zu danken, das er mir täglich gewährt.
P. B. : Wie
erklären Sie sich diese “Kirchenmüdigkeit” in
allen grossen traditionellen Kirchen ; die Tatsache, dass die Leute weiterhin
an Gott glauben, aber sich nicht mehr mit den offiziellen Institutionen
identifizieren wollen?
Helga Bayertz
: Ich kann als Katholikin nur für die katholische
Kirche sprechen. Hier spielt sicher die verkrustete Dogmatik eine entscheidende
Rolle. Es sollte beispielsweise in Zeiten von Aids erlaubt sein, ein
Präservativ zu benutzen. Leider ist die Pille für die Frauen
ebenfalls vom Papst verboten worden. Was allein diese Tatsache für
die ärmeren Länder bedeutet, bedarf keiner Erklärung.
P. B. : Welche Bilanz ziehen Sie von Ihrer langen Berufskarriere?
Helga Bayertz
: Ich empfinde ein Gefühl der Dankbarkeit, weil ich
das seltene Glück hatte, beruflich das zu machen, was ich immer
machen wollte. So erfüllte sich mein Jugendtraum tatsächlich.
P. B. : Was
wünschen Sie sich für die kommenden
Jahre?
Helga Bayertz
: In erster Linie Gesundheit für die ganze Familie
und Frieden in der Welt. Mögen wir nicht das erleben, was unsere
Eltern und Großeltern durchgemacht haben. Ansonsten bin ich mit
meinem Leben zufrieden.
Philosophische
Blumen : Vielen Dank, Helga Bayertz, für dieses
Gespräch. |