Wenn man dieses Versprechen liest, kann man über seine einfache Aussage nur staunen. Muss man also naiv wie ein Kind sein und Gott beim Wort nehmen? Übrigens hat Jesus Christus nicht erklärt, dass wir den Kindern ähneln müssen, um in sein Reich kommen zu können? (Matthäus 18.13). Demzufolge hätte also jeder das Recht, Gott um alles Mögliche zu bitten. Auf keinen Fall! Hätte z.B. ein Dieb das Recht, darum zu bitten, nicht von der Polizei erwischt zu werden, um nicht sein Vergehen zu büssen? Das erscheint wirklich grotesk. Gott kann keine Verbrechen akzeptieren und Übeltäter schützen, die überhaupt keine Reue empfinden. Diese Tatsache setzt also eine andere Bedingung voraus, damit ein Gebet erhört wird.
In diesem Zusammenhang drückt sich der Apostel Johannes in seinem Evangelium klarer aus, indem er uns die Aussage Jesu überliefert: «Wenn ihr aber fest mit mir verbunden bleibt und euch nach meinem Wort richtet, dürft ihr von Gott erbitten, was ihr wollt; ihr werdet es erhalten» (Johannes 15.7). Also liegt die wichtigste Bedingung für die Erhörung darin, dass wir mit Gott fest verbunden sind und seine Heilige Schrift gut kennen. Aufgrund seiner Liebe zu all seinen Geschöpfen kann sich Gott jedoch auch ihnen offenbaren und spontan auf ein Stossgebet oder den Notruf irgendeines Mannes oder einer Frau in einer extremen Situation antworten.
Was soll man dagegen von einem gläubigen Kranken halten, dessen Gebete immer noch nicht erhört wurden oder nur teilweise? Manchmal glauben wir, Gottes Wort gut zu kennen, aber in Wirklichkeit ist es noch nicht tief genug in uns verankert. Vielleicht ist es bloss eine intellektuelle Kenntnis und keine konkrete Erfahrung mit Gott. In diesem Fall läge das Problem eher bei der Person, deren Worte nicht vom Heiligen Geist inspiriert waren. So hätte das Gebet nur den menschlichen Willen ausgedrückt, um einen persönlichen Plan zu verwirklichen, der leider oft im Gegensatz zur göttlichen Absicht steht. In diesem Fall wäre das Schweigen Gottes sogar heilsam für die betreffende Person (1).
Wenn wir bei unseren Gebeten immer vom Heiligen Geist (der nie Gottes Willen widerspricht) inspiriert wären, würden unsere Worte und Pläne genau denen unseres Schöpfers entsprechen. Der Prophet Jeremia beschreibt Gottes Willen mit folgenden Worten: «Denn mein Plan mit euch steht fest: Ich will euer Glück und nicht euer Unglück. Ich habe im Sinn, euch eine Zukunft zu schenken, wie ihr sie erhofft. Ich, der Herr sage es.» Auch im Buch des Propheten Jesaja können wir lesen : «Denn meine Gedanken sind nicht zu messen an euren Gedanken, und meine Möglichkeiten nicht an euren Möglichkeiten» (Jesaja 55.8). Diese Aussagen werden auch im Buch der Sprüche bestätigt: «Lass Gott über dein Tun entscheiden, dann werden sich deine Pläne erfüllen!» (Sprichwörter 16.3). Am einfachsten wäre es also, unser Gebet mit der Bitte zu beenden: «Hindere mich daran, deine Pläne zu durchkreuzen. Dein Wille geschehe, was mich betrifft (oder die Person, für die wir beten).»
Wir müssen die Erhörung des Gebetes als ein Erwarten verstehen, denn Gott fordert uns wiederholt auf, standhaft zu bleiben: «Hört niemals auf zu beten» (1.Thessalonicher 5.17), «Lasst euch durch nichts vom Gebet abbringen, und vergesst dabei nicht, Gott zu danken» (Kolosser 4.2), «Darum ist es das beste zu schweigen und auf die Hilfe des Herrn zu warten» (Klagelieder 3.26). Aber auf alle Fälle ist Gott bereit, auf unsere Gebete zu antworten und oft auf unerwartete und erstaunliche Weise.
Manchmal erscheint seine Antwort auf unser Gebet am Anfang wie das Gegenteil des Gewünschten... wie es dieses madagassische Sprichwort ausdrückt: «Ich habe Gott um eine Blume gebeten, er hat mir einen Kaktus gegeben. Ich habe ihn um einen Schmetterling gebeten, er hat mir eine Larve gegeben. Aber der Kaktus wurde eine Blume und die Larve ein Schmetterling». Gott kennt unsere Bedürfnisse besser als wir und bei der Erhörung unserer Gebete – selbst wenn sie später eintrifft – können wir auch eine moralische und praktische Lektion erkennen, die uns schliesslich hilft, in unserem Glaubensleben Fortschritte zu machen. Wir sollten auch nicht vergessen, dass «Gott aber kann viel mehr tun als wir von ihm erbitten oder uns auch nur vorstellen können. So gross ist seine Kraft, die in uns wirkt» (Epheser 3.20).
Karin Bouchot |